Dietmar Schütz, Vorsitzender der Oldenburger Bürgerstiftung, gab Schülerinnen und Schülern der Jahrgänge 9-11 am heutigen 04.11. einen Überblick über knapp 80 Jahre Erinnerungskultur in Oldenburg.
Sein Vortrag fand im Rahmen der Vortragsreihe anlässlich des Erinnerungsgangs, den das HGO 2024 mit ausrichtet, statt.
Durch Rückblick auf die Oldenburger Geschichte und die Anerkennung der Singularität des Holocausts erschließe sich die Verantwortung Oldenburgs in der Erinnerungskultur, so Schütz. Der jedes Jahr am 10.11. stattfindende Gang zur Erinnerung an die durch die Nationalsozialisten ermordeten und verfolgten Oldenburger Juden ist seit 1981 ein zentraler Bestandteil jener Kultur, die Schütz in seinem Vortrag in chronologischer Entwicklung darlegte.
Während nach Kriegsende und bis über die 50er Jahre hinaus oft Verdrängung eine Auseinandersetzung verhindert und auch von städtischer Seite die Bereitschaft dazu gefehlt habe, so habe Oldenburg in den Jahrzehnten danach zu einer vorbildlichen Erinnerungskultur gefunden. Als wichtige Schlaglichter dafür nannte Schütz unter anderem die Gründung der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit unter dem Vorsitz Enno Meyers 1962, in deren Folge Schicksale Oldenburger Juden erstmals konkret recherchiert und veröffentlicht worden seien.
1978, 40 Jahre nach der Pogromnacht, in der auch die Oldenburger Synagoge in Brand gesetzt wurde, wurde hier erstmalig bei einer Veranstaltung dieses Ereignisses gedacht, woraus sich drei Jahre später der 1. Gedächtnisgang entwickelt habe. 1985 seien auf Einladung der Stadt alle Oldenburger Holocaust-Überlebende sowie deren Angehörige erstmals nach Oldenburg zurückgekehrt – eine Veranstaltung, bei der viele der in die USA oder Südamerika Emigrierten Kontakte zu Oldenburgern aufgebaut hätten.
Leo Trepp, Landesrabbiner in Oldenburg bis 1938 – er konnte nach seiner Inhaftierung 1938 nach England fliehen – habe Oldenburg seit 1954 regelmäßig besucht und 1988 sogar am Erinnerungsgang teilgenommen. 1990 wurde Trepp Ehrenbürger der Stadt Oldenburg, ein Jahr, nachdem in Oldenburg die neue jüdische Gemeinde gegründet wurde. Bei der Einweihung der neuen Oldenburger Synagoge war 1995 der damalige Bundespräsident Richard von Weizsäcker anwesend.
Zusätzlich betonte Schütz, wie wichtig es sei, dass das Erinnern auch öffentlich stattfinde. Nach diesem Grundsatz sei die Gedenktafel mit Namen in der Peterstraße als Ergänzung zu den Gedenksteinen unweit der alten Synagoge und des Kunstwerks der „fallenden Basaltsäulen“ (1989) von Odo Reimann errichtet worden.
Auch die auf Initiative der Bürgerstiftung gesetzten Erinnerungszeichen, die auf Augenhöhe an den letzten frei gewählten Wohnorten derer, an die erinnert wird, angebracht werden, trügen seit 2017 dazu und zur Individualisierung in der Erinnerungskultur bei. Bisher gibt es in Oldenburg 62 dieser Zeichen an 27 Standorten. 10 weitere Standorte folgen bald. Die Beteiligung und Finanzierung durch Oldenburger Bürger sowie Einweihungsfeiern anlässlich der Errichtung zeigen in besonderer Weise die zivilgesellschaftliche Absicherung der Erinnerungskultur in Oldenburg, so Schütz.
Insgesamt vermittelte Schütz in seinem Vortrag einen umfangreichen Eindruck zu den Grundlagen, zur Entwicklung und zu wichtigen Persönlichkeiten im Kontext der Oldenburger Erinnerungskultur, veranschaulicht und ergänzt aus seiner persönlichen Perspektive.