Der Erinnerungsgang in Oldenburg folgt den Spuren der jüdischen Bürger, die am 10. November 1938 von den Nationalsozialisten durch die Oldenburger Innenstadt zur Polizeikaserne getrieben und von dort aus ins KZ Sachsenhausen deportiert wurden. Jedes Jahr übernimmt eine andere Schule die Organisation dieser wichtigen Gedenkveranstaltung. 2024 trug das Herbartgymnasium die Verantwortung für die Gestaltung. Der Weg führt von der ehemaligen Polizeikaserne am Pferdemarkt über den Ort der zerstörte Synagoge bis zum Gefängnisinnenhof – Orte, die vom Leid der jüdischen Mitbürger zeugen. Die Tradition des Erinnerungsgangs steht für die lebendige Erinnerungskultur in Oldenburg und das Engagement der jungen Generation gegen Antisemitismus und für Toleranz.
Am diesjährigen Erinnerungsgang nahm die nahezu gesamte Schulgemeinschaft des Herbartgymnasiums teil und gestaltete gemeinsam mit vielen Bürgerinnen und Bürgern der Stadt Oldenburg ein würdevolles Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus. Unter dem Leitsatz „Erinnern heißt begegnen“ wurde ein eindrucksvolles Zeichen für Toleranz und gegen das Vergessen gesetzt.
Der Nachmittag begann mit einer von Schülerinnen und Schülern des Herbartgymnasiums gestalteten Andacht in der Garnisonkirche. Der Schulchor und das Choir Chimes Projekt trugen mit ihrer bewegenden musikalischen Darbietung zur besonderen Atmosphäre bei. Die Andacht griff das Motto des Tages auf besondere Weise auf und schuf Raum für Begegnung unter den Besuchern. Als Symbol der Hoffnung wurden Steine beschriftet, die später am Mahnmal an der Peterstraße niedergelegt werden konnten.
Die anschließende Auftaktveranstaltung fand im historischen Innenhof der Landesbibliothek statt, die früher als Polizeikaserne diente. Hier sprachen Oberbürgermeister Krogmann sowie Herr Behrens vom Arbeitskreis Erinnerungsgang. Besonders berührend waren die Beiträge von Faye Hahlo, deren Großvater einst durch den von seinen Eltern organisierten Kindertransport nach England dem Tod entkam, und Anni Ben Haim, die als Vertreterin des Kreistags der israelischen Partnergemeinde MaterAsher auf Einladung der Stadt dem Erinnerungsgang beiwohnte. Die Schülervertretung des Herbartgymnasiums skizzierte nachdrücklich, welche Verantwortung sich aus der Barbarei der Vergangenheit für die Gegenwart ergibt. Die musikalische Begleitung unterstrich die Bedeutung des Moments.
Der folgende Gedenkweg wurde in bewegendem Schweigen zurückgelegt. Die Straßen waren gesäumt von einem eindrucksvollen Lichtermeer, das zuvor von Schülerinnen und Schülern des Herbartgymnasiums gestaltet worden war. Das breite zivilgesellschaftliche Engagement zeigte sich in der großen Teilnahme der Bevölkerung. An der Stelle der ehemaligen Synagoge hielt Rabbi Ufferfilge inne und sprach das Kaddisch sowie das El Male Rachamim, ein traditionelles jüdisches Totengebet.
Der Erinnerungsgang endete im Gefängnisinnenhof, wo nach einer Kranzniederlegung am Gedenkstein und einer musikalischen Einspielung aus Mate Asher Schülerinnen und Schüler der Schülervertretung sowie Schulleiterin Annika Neesen das Wort ergriffen, um besonders an die Wichtigkeit von Empathie in der heutigen Zeit zu erinnern.
Ein bewegender Moment war die symbolische Weitergabe der Öllampe an die Paulusschule, die im kommenden Jahr die Verantwortung für den Erinnerungsgang übernehmen wird. Nachdem gemeinsam „Die Gedanken sind frei“ gesungen wurde, endete der Erinnerunsgang, wirkte aber in den Gedanken vieler noch lange nach.
Der diesjährige Erinnerungsgang zeigte einmal mehr, wie wichtig das aktive Gedenken und die Begegnung zwischen Menschen verschiedener Generationen und Hintergründe ist. Die starke Präsenz der Schulgemeinschaft und das Engagement aller Beteiligten machten die Veranstaltung zu einem würdigen und nachhaltigen Zeichen gegen das Vergessen.