Bildung ist ein Schlüssel zu einer toleranteren und besseren Gesellschaft. Und die Auseinandersetzung junger Menschen mit dem Judentum und der jüdischen Geschichte ist aktuell so notwendig wie lange nicht. Deshalb freuen wir uns, dass wir am 29.01.2025 Arie Rosen aus Jerusalem per Videokonferenz in unseren Räumen begrüßen durften, um ca. 140 Schülerinnen und Schülern der Religions- und WeNo-Kurse des 10. Jahrgangs sowie des eA-Kurses Religion in Jahrgang 12 einen Einblick in das jüdische Alltagsleben in Jerusalem zu geben.
Informativer Vortrag zur jüdischen Religion und zum Schabbat
In einem kurzweiligen und fundierten Vortrag informierte Herr Rosen, der in Deutschland geboren wurde und mit 15 Jahren nach Israel ausgewandert ist, über die Grundlagen der jüdischen Religion und über zentrale jüdische Bräuche, besonders über den Schabbat: 24 Stunden Auszeit, jede Woche auf’s Neue. Kein Smartphone, kein Fernsehen, keine Computerspiele, kein Ausflug mit dem Auto. Anschaulich erzählte Herr Rosen von dem ritualisierten Ablauf im Rahmen der Schabbatvorbereitungen und -feier. Neugierig hörten die Schülerinnen und Schüler zu, als berichtet wurde, dass am Schabbat die jüdisch-orthodoxen Stadtviertel von Jerusalem mit Straßensperren abgesperrt werden. Fahrende Autos sucht man hier an Schabbat vergeblich, weil die Tora das Entzünden von Feuer an Schabbat untersagt und der Talmud (die Auslegung und Erläuterung der Tora-Gesetze) das Verbrennen von Benzin oder Diesel einem Feuer gleichstellt. So fremd uns derartige Regelungen erscheinen mögen, so faszinierend ist es zugleich, dass und wie diese jahrtausendealten Regelungen ihren Weg in die lebendige Moderne gegangen sind. Während unsere Schülerinnen und Schüler die geschilderten Anforderungen des Schabbatgebots vor allem als ungewohnte Einschränkung empfanden, gelang es Arie Rosen, auch die sich ergebenden Möglichkeiten als positive Kehrseite dieses wöchentlichen Ruhe- und Feiertages deutlich werden zu lassen: 24 Stunden lang exklusive Zeit für die Familie, Zeit für den Gottesdienst, Zeit für sich selbst, Digital Detox – Zeit, um seine Gedanken neu auszurichten und Kraft für die neue Woche zu schöpfen. Im Kern dient auch der aus dem Schabbat erwachsene Sonntag im christlich geprägten Europa genau diesem Zweck.
Möglichkeit zu persönlichen Fragen
Zahlreiche Schülerinnen und Schüler nutzten im Anschluss an den Vortrag die Gelegenheit, Fragen an Herrn Rosen zu richten: Wie zeitgemäß ist das Rollenbild von Männern und Frauen in konservativen jüdischen Familien? Was passiert, wenn man einmal aus Versehen eine nicht erlaubte Tätigkeit an Schabbat ausführt? Was passiert bei medizinischen Notfällen an Schabbat? Wie steht die jüdische Religion zu homosexuellen Menschen? Wie leben die unterschiedlichen jüdischen Gruppierungen in Israel miteinander? Und welche Auswirkungen hat die Religion auf die politischen Prozesse in Israel? Aufgrund seiner persönlichen Verwurzelung im jüdischen Glauben konnte Herr Rosen seine Ausführungen durch Beispiele und Vergleiche anschaulich machen und seine Zuhörerinnen und Zuhörer als authentischer Gesprächspartner überzeugen, auch dann, wenn nicht alle Aspekte seiner Darlegungen ungeteilte Zustimmung fanden.
Der angeregte Austausch zwischen den Schülerinnen und Schülern und Herrn Rosen hat nicht nur einen Beitrag zur Aufklärung über das Judentum und zur Völkerverständigung geleistet, sondern auch einen Beitrag zum jüdisch-christlichen Dialog und zur Aktualität religiöser Traditionen in unserer modernen Welt.
Ermöglicht wurde der Austausch durch die Lea Fleischmann-Bildungsprojekte mit Sitz in Jerusalem sowie die OLB-Stiftung, denen wir hiermit herzlich für die Unterstützung danken.
Bgh